Am 26.1.2011 wurde David Kato brutal ermordet. Er war Leiter der Sexual Minorities Uganda. Der Täter, Nsubuga Sydney, war ein aus dem Gefängnis entlassener Straßendieb, den Kato zur Rehabilitation bei sich aufgenommen hatte. Sydney richtete Kato mit einem Hammer regelrecht hin. Ihm wurde der Prozess gemacht und er wurde zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Dem Mord vorausgegangen war ein Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Homosexuellengesetzes. Am 14.10.2009 hatte David Bahati, Parlamentarier und überzeugter wiedergeborener Christ, einen Gesetzesentwurf ins Parlament eingebracht, der Homosexualität unter Todesstrafe stellte. Zudem sollen Hausbesitzer, die Homosexuellen eine Wohnung vermieten, mit Haftstrafen bis zu sieben Jahren belangt werden. Das gleiche Strafmass erwartet Verwandte von Homosexuellen, die ihre Familienmitglieder nicht der Polizei melden. Personen, die in zivilgesellschaftlichen Organisationen arbeiten und Homosexuelle nicht denunzieren, müssen mit drei Jahren Haft rechnen. HIV-positive Homosexuelle sollen keine Medikamente erhalten und Homosexuellenorganisationen sollen verboten werden. Der Gesetzesentwurf hatte massive internationale Proteste zur Folge. Allerdings wurde er nur geringfügig geändert, so wurde die Todesstrafe in lebenslange Haft umgewandelt.
Bahati’s Gesetzesentwurf entsprach der Leitlinie seiner Religionsgemeinschaft „The Family“. Diese eint vor allem fundamentalistische Christen in den USA, die Homosexualität als „das Böse“ bekämpfen und Homosexuelle heilen wollen. Sie wählen wie andere charismatische und homophobe US-amerikanische Pfingstkirchen gezielt Nachkriegs- und Krisenländer für ihre aggressive Missionierung aus. Häufig sind die dortigen Gesellschaften traumatisiert und suchen Neuorientierungen. So propagierte auch Bahati, sein Gesetzesentwurf würde die ugandische Nation stärken und die Bedrohungen der traditionellen Familie stoppen. Dies sei notwendig, weil Homosexuelle der ugandischen Gesellschaft ihre Promiskuität aufdrängen wollten. Jungen in Uganda müssten vor Homosexuellen aus Europa und den USA geschützt werden.
So wie Bahati dachten viele Parlamentarier und Politiker, etwa der ugandische Minister für Ethik und Integrität James Nsaba Buturo. Er meinte, der Gesetzesentwurf ermögliche Homosexuellen, Buße zu tun und von ihrem abnormalen Verhalten geheilt werden. Gleichzeitig wetterte er gegen die internationale Staatengemeinschaft, die der ugandischen Regierung drohte, die Entwicklungsgelder zu kürzen, falls der Gesetzesentwurf vom Parlament verabschiedet würde. Befürchtete Einschnitte der hohen Einnahmen für den Staatshaushalt, waren wohl für Präsident Yoweri Museveni, der wie Bahati Mitglied von „The Family“ ist, ausschlaggebend, um die Gesetzesreform zu stoppen. Schließlich war er im Vorfeld anstehender Wahlen auf die ausländischen Geldtransfers angewiesen.
Museveni hatte bereits am 29. September 2005 ein Gesetz unterzeichnet, das gleichgeschlechtliche Ehen verbietet. Zuvor hatte die Reform des Strafgesetzbuches im Jahr 2000 homosexuelle Handlungen von Frauen kriminalisiert. Bis dato konnten nur männliche Homosexuelle bestraft werden; Grundlage war die koloniale Gesetzgebung aus dem Jahr 1950. Damals hatten die Briten sexuelle Akte, die „gegen die Natur verstoßen“, mit Haftstrafen bis zu 14 Jahren belegt. Die kolonialen Gesetze blieben nach der Unabhängigkeit Ugandas 1962 erhalten und wurden zur Einschüchterung von Homosexuellen angewandt. Daran waren wiederholt Politiker, Medienvertreter und religiöse Autoritäten verbreitet. Sie schürten die in der Gesellschaft verbreitete Homophobie.
So hatten evangelikale Christen wie Steven Langa, der dem „Family Life Network“ angehört, im Umfeld des Weltfrauentags 2009 einen Workshop gegen Homosexualität veranstaltet. Während der vom 5.-8.3.2009 dauernden Veranstaltung hielten US-amerikanische Gäste die Grundsatzreden: Caleb Lee Brundigde, der meinte, früher selbst schwul gewesen zu sein, bevor er geheilt wurde. Don Schmierer behauptete, Schwule durch die Macht von Jesu heilen zu können. Als weiterer Redner trat Scott Lively auf, Autor zahlreicher Bücher gegen Homosexualität, u.a. des Werkes „The pink Swastika“, in dem er behauptet, homosexuelle Nazis seien für den Holocaust verantwortlich gewesen.
Steven Langa, sah es als seine christliche Pflicht an, diesen Workshop zu organisieren und die US-amerikanischen Gäste mit ugandischen Parlamentariern in Kontakt zu bringen. Sein Ziel war es, ugandische Jungen vor ausländischen Homosexuellen zu schützen und die biblischen Familienwerte zu bewahren. Dem UN-Menschenrechtsrat warf er vor, diese moralischen Verpflichtungen zu behindern. Langa und Lively machten Homosexuelle für das Aufbrechen vieler ugandischer Ehen und Familien, für die Promiskuität und die hohen HIV-Raten verantwortlich. Als Repräsentant des „Family Life Network“ hatte Langa zuvor das Uganda „National Parents Network“ gegründet, das für seine HIV-Präventionsarbeit zu Enthaltsamkeit und ehelicher Treue Gelder vom globalen Fund gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria der UN erhalten hatte. Seit einigen Jahren können sich Pfingstkirchen in Uganda als Nicht-Regierungsorganisationmen registrieren lassen.
Ein anderer namhafter Pfingstkirchenvertreter, Martin Sempa, setzte ebenfalls auf Abstinenz, als er auf dem Gelände der Makerere Universität in Kampala seine „Alliance to wipe out AIDS“ ins Leben rief. Sie wurde vom AIDS-Programm des früheren US-Präsidenten Georg W. Bush großzügig gesponsort. Ssempa war Vertreter der Sattleback Church, deren Gründer Rick Warren das christlich-fundamentalistische „Purpose Driven Life“-Leitbild propagierte. Dafür gewann er namhafte Politiker, u.a. den ruandischen Präsidenten Paul Kagame. Warren lehnte Kondome ab und motivierte auch Yoweri Museveni sowie Pfingstkirchen in Uganda, die Verbreitung von Kondomen einzustellen. Warren war in den USA umstritten, weil er trotz seiner homophoben Äußerungen als religiöse Autorität bei der Amtseinführung von Präsident Barak Obama Ende Januar 2009 auftrat.
Ende 2011 sorgte Martin Sempa für Schlagzeilen. Er war zusammen mit den fundamentalistischen Kirchenvertretern Bob Kyazze und Solomon Male angeklagt, den Prediger Robert Kayanja als Pädophilen zu verleugnen. Offenbar buhlten die Angeklagten um den politischen Einfluss unterschiedlicher Pfingstkirchen und die Gunst der Präsidentengattin Janet Museveni, die ebenfalls wiedergeborene Christin ist. Die Angeklagten hatten einen Homosexuellen erpresst, gegen Kayanja auszusagen. Das mediale Interesse für den Machtkampf in den Pfingstkirchen war gering im Vergleich mit der Hassberichterstattung gegen Homosexuelle im Jahr 2010.
Mitte Oktober 2010 veröffentlichte die Gazette „Rolling Stone“ Fotos, Namen und Adressen von 100 Homosexuellen. Auf dem Titelbild war ein Foto von David Kato abgedruckt, dem Leiter der Sexual Minorities Uganda. Reißerisch forderte „Rolling Stone“ die LeserInnen auf: „Hängt sie!“ Nach dem Mord an David Kato bestritt Chef-Redakteur Giles Muhame jeglichen Zusammenhang und meinte zynisch, „Rolling Stone“ habe nicht zum Mord mit einem Hammer aufgerufen. Gleichzeitig pries er die Zeitschriftenausgabe als Enthüllungsjournalismus an; schließlich hätten die Homosexuellen nun Angst. Muhame konnte die Auflagenhöhe seiner Zeitschrift rasant steigern. Er behauptete, Homosexualität würde die Moral in der ugandischen Gesellschaft zerstören und sich wie eine Seuche ausbreiten. Ein Gerichtsurteil, das Homosexuellenorganisationen kurz nach der Veröffentlichung der Zeitschrift angestrebt hatten, verbot Muhame, weitere Schwule öffentlich vorzuführen.
Der Gesetzesentwurf für ein neues Homosexuellen-Gesetz wurden im Oktober 2011 erneut im Parlament diskutiert. Politische Beobachter vermuteten, dass Präsident Museveni, der wenige Monate zuvor bei einer umstrittenen Präsidentschaftswahl im Amt bestätigt wurde, wegen der Sorge um internationale Gelder es wohl nicht unterzeichnen würde. Homophobe Einstellungen sind jedoch bei Parlamentariern nach wie vor verbreitet, sie senden weiterhin Signale in die Bevölkerung. Das Leben der Homosexuellen ist keineswegs sicherer geworden. Daran hat die Ernennung von Flavia Kyomukama, einer HIV-positiven Lesbe, zur Leiterin der ugandischen AIDS-Kommission nichts geändert. Die Organisation Sexual Minorities Uganda wird nun von Frank Mugisha geleitet. Mitte 2011 rief er gemeinsam mit Menschenrechtsaktivisten zur „Hate no more“ Kampagne auf. Wie wichtig die Überwindung von Homophobie ist, illustriert die Tatsache, dass zahllose Männer und Jungen während der jahrelangen Bürgerkriege in Uganda vergewaltigt wurden. Viele Täter waren heterosexuelle ugandische Soldaten, die ihre Opfer demütigen wollten. Organisationen, die diese beraten, wie das Refugee Law Project, werden angefeindet. Das Refugee Law Project interpretiert sexualisierte Gewalt gegen Männer als Ausdruck martialisischer Männlichkeit und arbeitet gegen Homophobie.
Innerhalb der anglikanischen und katholischen Kirche gibt es sehr unterschiedliche Meinungen zur Homosexualität. Während manche Pastöre und Bischöfe für Homosexuelle Partei ergreifen und christlichen Fundamentalismus, Puritanismus und Sexismus anprangern, vertreten andere dezidiert homophobe Meinungen. Christliche Homosexuelle bewerten die paternalistischen Hierarchien in vielen Kirchen als Problem, zumal sie patriarchale Ehe- und Familienvorstellungen verbreiten.
Auf politischer Ebene ist festzustellen, dass 38 von 53 afrikanischen Staaten Homosexualität kriminalisieren. Die Afrikanische Union bezieht nicht eindeutig Stellung. Die homophobe Gewalt ist ein Argument für die Entkriminalisierung von Homosexualität, denn die Gesetze und die Rechtssprechung sind oft nicht wertneutral oder objektiv. Vielmehr spiegeln sie politische und gesellschaftliche Inklusions- und Exklusionsmechanismen. Sie sind die Grundlagen von Diskriminierungen und Benachteilungen im Zugang zu staatlichen Institutionen, wie dem Gesundheitswesen, im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben und in Berufen. Um so wichtiger sind umfassende Gegenstrategien. Zu hoffen ist, dass sie die politische Instrumentalisierung von Homophobie im Vorfeld von Wahlen und zur Ablenkung von Korruption und wirtschaftlichen oder sozialen Strukturproblemen verhindern.
Dokumentarfilm "Call Me Kuchu" über David Kato